Um die Ergebnisse der eingesetzten Methoden und Publikationen vorzustellen, kamen am 16. Juni 2023 aus ganz Deutschland 80 Multiplikator*innen und Expert*innen der Bildungs- und Jugendarbeit zu einer Fachtagung zusammen. Im Panoramasaal des taz-Gebäudes mit Blick über Berlin erinnerte Sanem Kleff, Direktorin von Aktion Courage e. V. und Leiterin des Modellprojekts, in ihrer Einführung daran, dass das Konzept des Modellprojektes vor Corona entstand, aber die Umsetzung ab 2020 dann in die Pandemiezeit fiel. Trotz der pandemiebedingten Herausforderungen konnten alle geplanten Maßnahmen, wenn auch zeitverzögert und modifiziert, umgesetzt werden.

In ihrem Grußwort erwähnte auch Sabine Schulte-Beckhausen, Referatsleiterin „Chancengerechtigkeit, Integration, Jugendsozialarbeit“ im BMFSFJ, die „erschwerten Rahmenbedingungen“ für das Modellprojekt und betonte: „Das Thema Mobbing ist weiter sehr aktuell und wir müssen die jungen Leute sensibilisieren.“ Dazu hätte „Couragiert gegen Mobbing“ gute neue Ansätze entwickelt und Lösungsmöglichkeiten aufgezeigt. „Vor allem das Format ‚Werkstatt gegen Mobbing‘ mit flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten und Modulen hat sich bewährt, um die Menschen auf individueller Ebene mitzunehmen.“
In seinem Eröffnungsvortrag führte Florian Wallner, Leiter des Zentrums für Gewalt- und Mobbingprävention und Persönlichkeitsbildung an der Privaten Pädagogischen Hochschule Burgenland, in das Thema ein. Er stellte dar, wie und unter welchen Bedingungen Mobbing in der Gruppe entsteht und fragte dann: „Was können wir tun, um Jugendliche zu schützen?“ Er machte deutlich: „Das ist ein komplexes Phänomen, bei dem es keine schnellen Lösungen gibt.“ Umso wichtiger sei die Primärprävention, die möglichst früh und auf vielen Ebenen ansetzen sollte.
Genau hier setzt „Couragiert gegen Mobbing“ an, wie Sanem Kleff bei der Beschreibung des Modellprojektes bestätigte. Die Projektkoordinatoren Justin Janorschke und Rafael Rickfelder stellten an Wandtafeln die im Rahmen des Modellprojektes durchgeführten Veranstaltungen, Materialien und Plakate vor. Thomas Winkler präsentierte das „Themenheft Mobbing“, die Publikation „Mobbing in Schule und Jugendarbeit“ und die zwei Mobbing-Schwerpunktausgaben der Jugend-Zeitung q.rage.
Sechs Mal wurde die „Werkstatt gegen Mobbing“ durchgeführt: in Berlin, Mönchengladbach, Bamberg, Potsdam und Zwickau. Das Werkstatt-Konzept konnte dank seiner modularen Struktur an sehr unterschiedlichen Orten passgenau umgesetzt werden und förderte zudem die Vernetzung der Akteure vor Ort. „Die Werkstatt ist im Idealfall als ganztägiges Format gedacht, aber flexibel wie Gummi und passt sich allen Gegebenheiten an“, erläuterte Sanem Kleff. „Die Dauer, die Räume, die Anzahl der Teilnehmenden, die Kosten, das alles kann variieren ohne die Lernziele zu verfehlen.“ Eine wichtige Bestätigung des Modellprojekts: Vor allem kunstpädagogische Methoden sind geeignet, das Thema Mobbing zu bearbeiten. „Der Schutz hinter einer Rolle, einem Bild, einem Medium, um mein Anliegen in der Gruppe besprechbar zu machen – das ist der Mehrwert kunstpädagogischer Methoden,“ so Sanem Kleff.

Wie das konkret funktioniert und wie variabel und vielfältig das multidisziplinäre Format der Werkstatt ist, erfuhren die Teilnehmenden von den anwesenden Teamer*innen, die Workshops bei den Werkstätten durchgeführt hatten. Die Zirkuspädagogin Jenny Kretzmann von Zirkomania aus Jena beschrieb, wie es mit einem Laufball oder durch Jonglieren gelingen kann „Hierarchien und Machtstrukturen in Gruppen aufzubrechen“ und die Individuen in ihrem Selbstbewusstsein zu stärken. Marius Künzel stellte dar, wie sein Team vom Bildungspark Mönchengladbach ihre sportbezogene Bildungsarbeit mit erlebnis- und bewegungspädagogischen Übungen umsetzt, und damit den Jugendlichen „hilfreiche Strategien beibringt, mit ihren negativen Gefühlen umgehen zu können“. Der Potsdamer Medienpädagoge Kevin Matiszent beschrieb, wie den Jugendlichen ihre Kompetenz im Umgang mit den sozialen Medien einen guten Zugang zum Thema Mobbing verschafft. Und der Berliner Musikpädagoge Florian Steindle betonte, wie „man über Rap so gut wie alle Themen ansprechen kann, nicht nur Mobbing“. Kurze Filmeinspielungen aus den Workshops zeigten, wie beeindruckend junge Menschen ihre Erfahrungen mit Mobbing in Poetry-Slam- und Rap-Texten, kurzen Theaterszenen oder Videofilmen umsetzen.
Der Theaterpädagoge Lutz Bublitz, fasste das Prinzip des kunstpädagogischen Ansatzes so zusammen: „Die Schüler kennen mich nicht, ich kenne sie nicht. Aber ich höre zu und nehme mir Zeit, dass sie ihre Geschichten erzählen können. Das ist ein dialektischer Prozess, der Weg bestimmt die Form. Er ist spannend, denn ich weiß nie, was passiert.“ Diese Vorgehensweise kann sehr intensiv sein: „Es ist teilweise erschütternd, es gibt Berichte, die mich tagelang beschäftigen.“ Am Ende bringen die Jugendlichen ihre Erfahrungen und Forderungen auf die Bühne und eröffnen den Zuschauenden ein Diskussionsfeld.
In der Abschlussrunde wurde die Frage gestellt, wie es weiter gehen wird. „Das Thema ist für uns nicht beendet – im Gegenteil, jetzt wissen wir ja noch besser, was wir gegen Mobbing zu unternehmen haben,“ so Sanem Kleff. Sie äußerte die Hoffnung, dass die Teilnehmenden die Motivation von der Tagung mitnehmen, sich weiterhin an ihrem jeweiligen Wirkungsort gegen Mobbing zu engagieren – und sich gemeinsam für ein besseres Schulklima und grundlegende Verbesserungen der Institution Schule einzusetzen. Dass diese Hoffnung begründet ist, zeigten die engagierte Abschlussrunde und die vielen Gespräche, die nach der Veranstaltung noch weitergingen.