Kein Zweifel: Die Welt ist global. Schon der morgendliche Blick auf den Frühstückstisch macht die Folgen der Globalisierung sichtbar; Käse aus Frankreich, Orangensaft aus Costa Rica, Äpfel aus Neuseeland, Erdnussbutter aus England, Tee aus China und Kaffee aus Äthiopien liegen einträchtig nebeneinander. Auch Menschen bewegen sich temporeich rund um den Erdball: führte der letzte Urlaub nach Thailand wird der nächste nach Kanada geplant. Auch dass Informationen zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt in Schrift, Bild und Ton via Internet in Bruchteilen von Sekunden empfangen und versendet werden können, erscheint längst als Selbstverständlichkeit. Diese rasante Entwicklung stellt die Menschheit vor neue ökonomische, ökologische, logistische und moralische Herausforderungen.
Globales Lernen will diesen Herausforderungen begegnen und notwendiges Wissen über komplexe Zusammenhänge vermitteln, um so erfolgreich Lösungen für vielfältige Menschheitsprobleme zu entwickeln.
Unter dem Begriff Globales Lernen werden Inhalte und Ansätze zusammengefasst, die sich als pädagogische Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierungsprozesse verstehen. Diese ergeben kein starres Konzept, kein abgeschlossenes Lehrprogramm oder gar Curriculum für ein neues Unterrichtsfach. Vielmehr werden eine Vielzahl erprobter Lernfelder und Ansätze – wie zum Beispiel interkulturelles Lernen, das Wissen um ökonomische Zusammenhänge oder Themen der Menschenrechtserziehung – verbunden und in ihrer Wechselwirkung behandelt.
Eine-Welt-Gesellschaft
Globales Lernen betrachtet die Erde als Eine-Welt-Gesellschaft und wirkt mit einem offenen und facettenreichen pädagogischen Konzept auf einen Perspektivwechsel im Sinne nachhaltiger Entwicklung hin. Grundlagen des Konzepts sind soziale Gerechtigkeit und Gleichberechtigung; Ziel ist die weltweite Durchsetzung politischer, sozialer und ökonomischer Menschenrechte. Globales Lernen fragt, was ein gerechter Lebensstil ist und wie eine Weltwirtschaft aussehen kann, in der alle Menschen den gleichen Zugang zu Ressourcen haben und ohne Krieg, Ausbeutung, Hunger, vermeidbare Krankheiten und Umweltzerstörung zusammenleben.
Das Globale Lernen fragt: Woher kommen unsere Lebensmittel? Wie wird unsere Kleidung hergestellt? Wer stellt sie zu welchen Bedingungen her? Globales Lernen greift dabei nicht nur die zunehmende Vernetzung von Wirtschafts- und Ressourcenströmen, Lebensräumen, Kulturen und Wissen über nationale und kontinentale Grenzen hinweg auf. Es nimmt auch die Einflussmöglichkeiten in den Fokus, die Individuen und zivilgesellschaftliche Organisationen haben: zum Beispiel als kritische Konsumenten, die sich für fair produzierte und gehandelte Produkte entscheiden.
Dies gilt auch für andere komplexe Themen: den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, den Umbau auf regenerative Energien, die Implementierung gerechter globaler Finanzsysteme, Handelsregime und Märkte, Teilhabe an Bildung für alle, den Respekt vor Menschenrechten, Fragen biotechnologischer Machbarkeiten.
Verteilungsgerechtigkeit
Ungerechte Machtstrukturen verändern sich nur wenn viele Leute an vielen Orten zugleich damit beginnen, ihr Tun auf die Auswirkungen zu überprüfen und Möglichkeiten solidarischen Handelns und gewaltfreier Konfliktlösung zu entwickeln. Da Gerechtigkeit nicht vom Himmel fällt, ist wichtig, für die Beteiligung an der Entwicklung einer zukunftsfähigen Weltgesellschaft zu werben. Unzählige Impulse engagierter Menschen und zivilgesellschaftlicher Organisationen sind nötig, bis die politische Kultur effektiv im Sinne einer gerechten Weltgesellschaft handelt.
Bei allem Enthusiasmus für aktive Workshops gilt es dabei, die gefährlichen Tücken gut gemeinter pädagogischer Ansätze zu erkennen. Es droht die Gefahr, dass sie am Ende die stereotypen Zuschreibungen vom musikalischen Afrikaner, dem gastfreundlichen Türken oder der sanftmütigen japanischen Frau ungewollt verstärken, statt diese abzubauen. Der Trommelkurs mit afrikanischen Klängen, der arabische Kochkurs und die Vorführung indischer Bollywood-Filme können genau diesen Effekt haben.
Dasselbe gilt für den Einsatz von Medien. Beispielsweise mag die breite Öffentlichkeit schockierende Bilder im Fernsehen oder auf den Titelseiten der Zeitungen benötigen, um für den Augenblick aufgerüttelt zu werden. Ein solcher, emotional überwältigender, Ansatz ist für die Schule allerdings kontraproduktiv. Blutrünstige Darstellungen von Kriegen und Gewalttaten erzeugen bei vielen Jugendlichen vor allem ein Gefühl von Ohnmacht. Als Ergebnis resignieren sie womöglich eher („Ich kann ja eh nichts tun“) als einen Anstoß zu bekommen, sich für alternative Gesellschaftsmodelle zu engagieren.
Lernen an konkreten Beispielen
Lebendige und erfolgreiche Projektansätze gehen von den Lebenswelten der Schüler*innen aus und knüpfen an deren Alltagserfahrungen an. Ausgehend von verschiedenen Produkten wie Schokolade, Tee, Jeans oder Sportschuhe können weltweite Produktions- und Konsumzusammenhänge durchleuchtet werden. Auch ökologische Fragen interessieren Jugendliche – und die globalen Zusammenhänge zwischen dem Rohstoffkonsum der Industrieländer und der weltweiten CO2-Emission erschließen sich leicht. Was würde mit dem Klima geschehen wenn in China prozentual genau so viele Menschen Auto fahren würden wie in den USA oder in Europa? Und: Äpfel aus der Region zu kaufen senkt zwar den CO2-Ausstoß – aber nützt das etwas, wenn ich dreimal im Jahr in den Urlaub fliege?
Eigene Theater- und Filmprojekte, Straßeninterviews, Radiosendungen oder Ausstellungen können sich diesen wie anderen Fragen widmen. Sie können auch eindrücklich über die oft mit Versklavung und Ausbeutung verbunden Lebenswelten von Kindern in Westafrika informieren. Und ein gemeinsam mit Flüchtlingen durchgeführter Workshop schafft viel intensivere Erfahrungen von Begegnung und Erkenntnis als die bestens vorbereitete Einheit zu globalen Flüchtlingsströmen, ihren Ursachen und Hintergründen.
Zu den Kooperationspartnern des Courage-Netzwerks gehören viele Organisationen und Institutionen, die auf globale Zusammenhänge spezialisiert sind. Ihre Mitarbeiter*innen kommen gern mit bewährten entwicklungspolitischen Projekten in die Klassen. Außerdem beraten sie fachkundig bei der Konzeption und Umsetzung eigener Aktionen und haben spannende Angebote für Projekttage und -wochen. Wir vermitteln Euch in Berlin gerne den Kontakt zu unserem Kooperationspartner Engagement Global / Bildung trifft Entwicklung (BtE) – Schulprogramm Berlin.
Mehr zu dem Thema findet ihr auch in den Handbüchern „Lernziel: Gleichwertigkeit“ für die Grund- und Sekundarstufe.